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Bildung als Schlüssel zu einer Nachhaltigen Entwicklung


Richard Beecroft und Patrick Hedfeld. Erschienen in der Zeitschrift FORUM, Ausgabe 12/2009

In unserer Zeit ist es wichtiger als jemals zuvor, über ein neues Konzept der Bildung nachzudenken, um eine Nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.
Was bedeutet Nachhaltige Entwicklung? Wir haben diese Bezeichnung aus dem englischen (sustainable development) geerbt und damit wird eine Entwicklung bezeichnet, die den Bedürfnissen der jetzigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Dieser Artikel möchte zeigen, wie wichtig dabei ein neues Konzept von Bildung ist.
Deutschland hat auf Grund seiner Lage und seiner Einwohner ein riesiges Potenzial, welches es scheinbar ungenutzt liegen lässt, doch müssen wir zunächst ein klares Bild für den Begriff Nachhaltige Entwicklung bekommen.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten über die Zukunft als solche zu spekulieren. Auf der einen Seite steht die einst entstandene Futurologie, die versucht hat solche Strategien zu entwickeln, aber schnell wieder verschwunden ist. Ihr Erbe wird von anderen Wissenschaften und Teildisziplinen angetreten, die sich erneut vor der schwierigen Aufgabe sehen ein Konzept für die Zukunft zu entwickeln.
Warum ist das so wichtig? Es geht bei einer Nachhaltigen Entwicklung nicht nur darum einen Standort für nuklearen Müll zu finden, oder um die Thematik das Schicksal eines Kindes bereits im Bauch der Mutter zu bestimmen, sondern um eine Art Vorgeformtheit der Zukunft.
Eine Generation kann eine bestimmte Entscheidung treffen und dadurch bereits alle Möglichkeiten einer künftigen Menschheit vorwegnehmen. Eine Vereinbarung in der Gegenwart muss immer mit dem Blick auf noch kommende Menschen getroffen werden, um so unterschiedliche Wege zu bewahren. Ziel muss sein, diese Vorgeformtheit der Zukunft höchst effektiv zu bekämpfen. Es geht hierbei sogar um das Entwickeln neuer Denkstile. Die Problematik zeigt sich schnell, denn ein bloßes Nachdenken über die Zukunft verursacht bereits eine erste Veränderung des Kommenden. Wir haben in der Gegenwart somit rein gedanklich die Möglichkeit Zukünfte zu erschaffen. Die gedankliche Wendung erfolgt von einer zukünftigen Gegenwart hin zu gegenwärtigen Zukünften. Dabei darf man nicht in eine Wunschvorstellung abdriften, dass die noch kommenden Technologien einer Art Heilsbringer sind, die alle unsere Probleme lösen werden.
Um gangbare Pfade in die Zukunft zu bewahren, wäre es ein Lösungsansatz eine reformierte Bildung, welche in der Gegenwart künftige Generationen auf zukünftige Aufgaben und Schwierigkeiten vorbereitet, zu entwickeln. Probleme, die erst in Jahrzehnten auftreten werden (Endlagerproblematik, Verdrängung von wichtigen Ressourcen durch Ausbeutung, die Ausbreitung von Energiepflanzen) können in der Gegenwart lehrbar gemacht werden, um sie bereits jetzt zu lösen oder erfassbar machen.
Ein Wunsch für eine zukünftige Gestaltung kann auf verschiedene Weisen formuliert werden. Nachhaltige Entwicklung lässt sich auf die Forderung nach Gerechtigkeit zurückführen, mit einem Begriff, der auf die gesamte Menschheit ausgedehnt wird, alle zukünftigen Generationen einschließend. Würde man nach diesem sehr mächtigen Begriff der Gerechtigkeit suchen ist es unsere Aufgabe diesen gemeinsam über alle Grenzen hinweg zu gestalten. Wobei hier noch unterschiedlichen Traditionen und Denkkonzepte im Weg stehen könnten.
Nachhaltige Entwicklung kann schließlich auch interpretiert werden als ein weiterer Schritt in der Geschichte, in dem sich die Menschheit ihrer selbst auf neue Weise bewusst wird.
Generationen, die jetzt bereits etwas über die Probleme unterschiedlicher Zukünfte lernen würden und mit Phantasie und Kreativität auf neues Denken hin geschult werden (Green Architecture, Diskussion eines Weltfriedensdialogs), stehen den kommenden Konflikten anders gegenüber.
Mit dem abstrakten Begriff der Gangbarkeit, einer schrittweisen Realisierung von Realität, wird bei Weitem mehr eingeschlossen, als dies unbedingt zwingend wäre. Abstrakt formuliert gelangt man zu fünf Forderungen: Die Erreichbarkeit einer Nachhaltigen Entwicklung, es muss also überhaupt irgendein Weg denkbar sein vom Heute in die Zukunft. Die Absehbarkeit der jeweils möglichen und unmöglichen folgenden Schritte, ein Wissen um Folgen der eigenen Entscheidungen und ein Wissen um die Grenzen der Zuverlässigkeit dieses Wissens. Die Offenheit in der Ausgestaltung des eingeschlagenen Weges (möglichst bis hin zur vollständigen Revidierbarkeit), um die Entscheidungsoptionen zukünftiger Generationen nicht zu beschneiden. Die Verbesserung der gegenwärtigen Situation bei jedem Schritt: Auf dem Weg soll es zu keinem Zeitpunkt eine Verschlechterung geben, da diese im Sinne einer Generationengerechtigkeit nicht zu rechtfertigen ist. Die Legitimierbarkeit jeden Schrittes durch angemessene demokratische Willensbildung und Entscheidung.
Diese Forderungen sind vage, unvollständig, präzisierungsbedürftig, vor allen Dingen aber fast hoffnungslos utopisch. Fast hoffnungslos, weil es in diesem Kontext nicht darum geht, dass sie eingehalten werden müssen. Leider tut uns die Gegenwart nicht den Gefallen, all den Forderungen zu genügen.
Sie stellt allein den Ausgangspunkt der Anstrengungen dar, so wird in der Gegenwart entschieden welche Bildung unseren Kindern gerade jetzt Alternative bei zukunftsrelevanten Entscheidungen vermittelt wird, welche Utopien und Gangbarkeiten es in die Zukunft geben könnte und wie damit umzugehen ist. Es geht vielmehr darum, welche uns am ehesten genügt.
Der Vergleich kann aber nicht nur zwischen alternativen und erreichbar erscheinenden Zukünften gezogen werden. Genauso legitim ist es, verschiedene Prognosen und Utopien der Gegenwart miteinander zu vergleichen. Erst durch solche Vergleiche werden die Eigenarten, Qualitäten, Gefahren und Unklarheiten der verschiedenen Zukünfte fassbar. Neue Zukunftskonzepte lassen sich durch die Verbindung von normativen und deskriptiven Aspekten auf verschiedene Weisen formulieren. Jede dieser Vorstellungen wirft auf charakteristische Weise ihr Licht auf das Heute und lässt es anders erscheinen.
Nachhaltige Entwicklung verbindet eine fundamentale Kritik am Bestehenden, ausgelöst durch soziale und ökologische Problemlagen, die in ihr zusammen gedacht werden, mit prognostischen Analysen, in welche Zukunft wir momentan steuern.
Nachhaltige Entwicklung dient als Maßstab und Ankerpunkt eines neuen Bildungssystems, welcher in die Strukturen einer Gesellschaft einfließt. Dies mag man auffassen als ein neues Weltbild eine Art neue Perspektive auf die Welt mit drei Aspekten: Zum einen als Infragestellung bzw. Überarbeitung des Bestehenden, zweitens als etwas grundsätzliches Neudenken und drittens als Ansatz der Verwirklichung der positiven Vision.

Es ergibt sich daraus, dass unter der Perspektive Nachhaltiger Entwicklung auch Bildung als Charakteristikum unserer Gesellschaftsform einer Untersuchung unterzogen werden sollte. Bildung erscheint nicht mehr nur entweder als Ziel oder als Utopie oder als erfahrbare, gar messbare gesellschaftliche Größe, sondern als zukunftsbezogene, als in spezieller Weise mitgestaltende Perspektive. Das größte Potenzial von Deutschland ist nicht nur Wissen, es kann uns in der Zukunft auch vor Gefahren und Problemen bewahren. Das Ziel wäre eine neue Form ein moderner Föderalismus, in welchem alle Kulturen und Religionen unter einem Dach vereint sind. Es hat sich in der Geschichte unseres Landes gezeigt (Religionsfreiheit in Preußen und der dadurch folgende interkulturelle Austausch), dass die größten Innovationen und Fortschritte gemacht wurden, wenn Deutschland auf Diplomatie, Frieden und Wissenstransfer gesetzt hat. Dies können wir wieder erreichen.